Liebe Freunde,
Grüße vom Schreibtisch des Tricontinental: Institute for Social Research.
1965 veröffentlichte Ghanas Premierminister Kwame Nkrumah ein kühnes Buch mit dem Titel Neo-Kolonialismus: Das letzte Stadium des Imperialismus. In diesem Buch dokumentierte Nkrumah ausführlich die Art und Weise, wie europäische und nordamerikanische multinationale Firmen – in enger Zusammenarbeit mit ihren Regierungen – die Bestrebungen der neuen Nationen Afrikas weiterhin drosselten. Als Beispiel beschrieb Nkrumah sein eigenes Land, Ghana, das bis 1957 unter dem kolonialen Namen «Goldküste» bekannt gewesen war.
Eines der alten Kolonialunternehmen, Ashanti Goldfields (ein britisches Unternehmen), machte weiterhin fabelhafte Gewinne mit der harten Arbeit der ghanaischen Goldgräber. Als Nkrumahs Regierung versuchte, die Steuern für das Unternehmen zu erhöhen, schrien die Londoner Zeitungen vor Empörung. Nkrumah schrieb darüber, wie das Gold dem ghanaischen Volk «nur symbolische Erträge» einbrachte, während Ashanti Goldfields seinen europäischen Aktionären enorme Dividenden anbot. Dies, schrieb Nkrumah, sei Neo-Kolonialismus.
Die Regierung der Vereinigten Staaten war ungehalten über die «unverantwortlichen Extravaganzen» in Nkrumahs Buch und beschloss, ihn zu bestrafen, indem sie sich weigerte, 300 Millionen Dollar an kurzfristiger Hilfe zur Deckung der Kosten für die Einfuhr von Nahrungsmitteln zu bewilligen. Nkrumah war unbeeindruckt. Er beschloss, nach Hanoi (Vietnam) zu reisen, um sich mit Ho Chi Minh zu treffen. Während dieser Reise ergriff das Militär in Ghana – angefeuert und unterstützt von der Central Intelligence Agency der Regierung der Vereinigten Staaten und dem britischen Geheimdienst (MI6) – die Macht. Nkrumahs Versuch, Souveränität und Würde für das ghanaische Volk aufzubauen, wurde abrupt beendet.
Der Reichtum des Landes würde weiterhin von multinationale Firmen abgeschöpft werden. Die schreckliche Ungerechtigkeit des Imperialismus, dessen direkte koloniale Form mit der Erlangung der Unabhängigkeit Ghanas unter Nkrumahs Führung 1957 besiegt worden war, würde sich in eine neue Form verwandeln, die Nkrumah Neo-Kolonialismus nannte. Neo-Kolonialismus, schrieb er 1965 in seinem Buch, «bedeutet Macht ohne Verantwortung und für diejenigen, die darunter leiden, bedeutet er Ausbeutung ohne Wiedergutmachung». Diese Formel gilt noch immer.
Das Konzept des «Imperialismus» wird behandelt, als sei es anachronistisch und nicht mehr geeignet, die Situation in unserer Welt zu erklären. Welches andere Konzept würde uns helfen zu verstehen, warum sowohl die Auslandsverschuldung des privaten als auch des öffentlichen Sektors der Entwicklungsländer in den letzten zehn Jahren zugenommen hat und warum diese Schulden – inzwischen über 11 Billionen Dollar – von Ländern mit Ressourcen von großem Wert nicht bezahlt werden können? Allein die Ressourcen in der Demokratischen Republik Kongo werden auf mindestens 24 Billionen Dollar geschätzt; obwohl der Kongo über die Hälfte der Wasserressourcen und Wälder Afrikas verfügt, haben 51 Millionen der Einwohner des Landes nach wie vor keinen Zugang zu Trinkwasser – ein Ergebnis der strukturellen Unterentwicklung Afrikas. Ein UNCTAD-Bericht von Anfang dieses Jahres schätzt, dass die Schuldendienstzahlungen für 2020-2021 zwischen 2,7 Billionen und 3,4 Billionen Dollar liegen würden (eine andere Schätzung zeigt die Obergrenze bei 3,9 Billionen Dollar, von denen etwa 3,5 Billionen Dollar für Kapitalzahlungen vorgesehen sind). Eine Aussetzung oder Annullierung ist nicht in Sicht, da die Regierungen dieser Länder durch Instrumente wie Schulden in Schach gehalten werden und Vermögen abgeschöpft wird, um multinationale Unternehmen und wohlhabende Anleihegläubiger zu bereichern.
Ein kürzlich erschienenes Buch, herausgegeben von Emiliano López vom Tricontinental: Institute for Social Research in Buenos Aires, Die Venen des Südens sind noch offen: Debates Around Imperialism of Our Time, bietet einen reichen Einblick in die Debatte um den Imperialismus; das Buch enthält Essays von Prabhat Patnaik, Utsa Patnaik, John Smith, E. Ahmet Tonak, Atilio Borón und Gabriel Marino. Das Buch erscheint als Teil eines globalen Prozesses, der als Internationale Woche des antiimperialistischen Kampfes bekannt ist und der am 5. Oktober in Caracas (Venezuela) mit einem vom Simon-Bolivar-Institut und Tricontinental: Institute for Social Research gesponserten Seminar begann und am 10. Oktober mit einem Festival des Antiimperialismus endet.
Die Internationale Woche des antiimperialistischen Kampfes veröffentlichte ein Manifest für die Zukunft, das wir weiter unten aufgenommen haben:
Manifest für die Zukunft
Wenn die Imperialisten uns hungrigen Mägen gegenüberstehen, greifen sie zu ihren Gewehren. Wenn wir hungrigen Mägen vor den Imperialisten stehen, greifen wir zu den Waffen und marschieren vorwärts.
Unsere Menschheit wird von einem unsichtbaren Virus bedroht, der sich rasch ausbreitet; aber wir werden seit langem von anderen Viren herausgefordert, wie Arbeitslosigkeit, Hunger, Rassismus, Patriarchat, Ungleichheit und Krieg. Diese Viren manifestieren sich in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich und greifen das Leben von Arbeitern, Bauern und all jenen, die die Auswirkungen der sozialen Ungleichheit erleben, scharf an. Unterdessen gibt es eine Minderheit von Menschen, die von den Verwüstungen profitiert.
Das kapitalistische System hat keine Antworten auf diese Krisen; seine Politik ist hohl. Anstatt einen Weg zu finden, uns zu beherbergen und zu ernähren, bauen die Kapitalisten riesige Maschinen der Zerstörung: Polizeikräfte und Militär, die das Leben der Arbeiterklasse in den reichen Nationen und das der Arbeiterklasse und der Bauernschaft in den ärmeren Nationen ersticken. Wenn ein ärmeres Land versucht, aufrecht zu stehen und auf seine Souveränität zu pochen, wird ein ganzes Arsenal an Druckmittlen gegen es eingesetzt: finanzielle, diplomatische und militärische. Sie beherrschen uns mit Waffen, aber auch mit Ideen; sie versuchen, uns davon zu überzeugen, dass ihre Ansichten die richtigen sind.
Die Manager des kapitalistischen Systems sind schnell bereit, ihre Gewehre zu ziehen und auf entfernte Gegner zu richten, die Panzer in unser Land zu fahren und unsere Häuser zu besetzen, die Natur zu zerreißen und unsere Welt zu zerstören; es ist leichter für sie, einen Krieg zu provozieren, als die Mägen der Menschen mit Nahrung zu füllen. Eher würden sie die Menschen mit Rassismus und Hurrapatriotismus anstecken, als damit fertig zu werden, dass ein kaputtes System immer mehr auf die unbezahlte und geringgeschätzte Fürsorgearbeit der Frauen angewiesen ist, immer mehr auf harte Arbeitsbedingungen, die Bergarbeitern und Fabrikarbeitern auferlegt werden.
führende Mitglieder von Volksbewegungen der ganzen Welt lasen das Manifest für die Zukunft.
Der Planet brennt, die Viren sind auf dem Vormarsch, der Hunger lauert im Land, und doch haben wir – die große Mehrheit der Menschen auf dem Planeten – selbst in diesem Chaos die Möglichkeit einer Zukunft nicht aufgegeben. Wir hoffen auf etwas Besseres als das hier, eine Welt jenseits von Profit und Privilegien, eine Welt jenseits von Kapitalismus und Imperialismus, eine Welt, die das Lied der Menschheit singt. Unsere Herzen sind stärker als ihre Gewehre; unsere Liebe und unser Kampf werden ihre Gier und Gleichgültigkeit überwinden.
Viele Samen werden von unseren Bewegungen gesät. Wir müssen sie gießen, sie pflegen und dafür sorgen, dass sie blühen. Wir werden eine Zukunft aufbauen, die das Leben mehr schätzt als den Profit, eine Zukunft der Gemeinschaft der Völker, nicht der rassistischen Kriege, eine Zukunft, in der soziale Hierarchien abgeschafft werden und in der wir gegenseitige Würde genießen.
Nur wenn es dunkel genug ist, kann man die Sterne sehen. Jetzt ist es dunkel genug.
Die Illustrationen für diesen Newsletter stammt aus dem Aufruf für antiimperialistsische Plakate, der von Tricontinental: Institute for Social Science gestartet wurde. Dies is die dritte von vier Ausstellungen; die ersten beiden beschäftigten sich mit dem Neoliberalismus und dem Kapitalismus, die jetzige mit dem Imperialismus, und die letzte wird sich mit dem Thema Hybridkrieg auseinandersetzen. Dreiundsechzig Künstler aus sechsundzwanzig Ländern haben an dieser Ausschreibung teilgenommen.
Am 9. Oktober 1967 wurde Che Guevara von Agenten des CIA in Bolivien ermordet. Sie hatten ihn zwei Tage zuvor gefangen genommen und waren – trotz des Befehls, ihn am Leben zu lassen – darüber informiert worden, dass er getötet werden müsse. Im Rahmen der Internationalen Woche des antiimperialistischen Kampfes haben fast zwanzig linke Verleger ein Buch mit dem Titel Che in zwanzig Sprachen, von Malayalam bis Spanisch, veröffentlicht. Der Band versammelt zwei klassische Texte von Che – Der Mensch und der Sozialismus in Kuba (1965) und Botschaft an das Tricontinental (1967) – zusammen mit einem Vorwort von María del Carmen Ariet García (vom Instituto Che Guevara, Havanna, Kuba) und einer Einführung von Aijaz Ahmad (Senior Fellow, Tricontinental: Institute for Social Research). Das kostenlose eBook kann auf unserer Website heruntergeladen werden.
Im Januar 1965 reiste Che nach Ghana, wo er sich mit Nkrumah zu einem Gespräch über Kuba, Lateinamerika und die Ermordung des kongolesischen Führers Patrice Lumumba 1961 traf. Sowohl Nkrumah als auch Che dachten an den Kongo; als Che in Tansania eine Truppe von Kämpfern aufbaute, nahmen sie den Namen «Patrice Lumumba-Brigade» an. Der Mord an Lumumba, der vom belgischen Geheimdienst und der CIA angezettelt wurde, beunruhigte sowohl Nkrumah als auch Che. Ein Jahr später sollte Nkrumah durch einen von der CIA unterstützten Staatsstreich gestürzt werden; zwei Jahre später wurde Che von CIA-Männern getötet. Die Auswirkungen der CIA-Aktionen lassen sich an den Niederlagen der Souveränitätsprojekte in weiten Teilen der Dritten Welt ablesen. Es ist an der Zeit, den 9. Oktober als Internationalen Tag der Abschaffung der CIA zu begehen.
Herzlichst,
Vijay